Interview
MEINUNGSMACHT

Online-Feindlichkeit gegenüber politisch aktiven Frauen verstehen, erkennen und entschärfen

Ob über Social Media oder in Onlineforen – Milliarden Menschen nutzen regelmäßig diese Kanäle für den politischen Austausch. So vielversprechend die Möglichkeiten des Internets zur freien Meinungsbildung einst auch erschienen, es ist längst nicht mehr ein geschützter Raum für Teilhabe. Radikalisierung, Hassreden und vor allem Anfeindungen gegenüber politisch aktiven Frauen nehmen zu. Ein vom bidt gefördertes Konsortialprojekt möchte Dynamiken von Extreme Speech daher frühzeitig erkennen.

(Foto: nadia_snopek/stock.adobe.com)

Politisch aktive Frauen, die ihre Stimme im Netz erheben und dadurch öffentlich sichtbar werden, sind häufig Zielscheibe von Extreme Speech. Das reicht von einzelnen beleidigenden Kommentaren bis hin zu einem Shitstorm.

Sahana Udupa, Professorin für Media Anthropology an der Ludwig-Maximilians-Universität München

Hassrede führt nicht selten aus dem Netz heraus ins reale Leben und mündet in Gewaltdelikten an Frauen. Betroffene dürften nicht in einem Zustand der Hilflosigkeit allein gelassen werden, denn Online-Frauenfeindlichkeit sei laut Udupa ein gesamtgesellschaftliches Problem. „Politisch aktive Frauen, die ihre Stimme erheben, sollten ermutigt werden, dieses weiterhin zu tun. Und dafür ist es wichtig, die Dynamiken von Extreme Speech besser zu verstehen. An dieser Wurzel setzt das Forschungsprojekt an“, so Udupa.

Die Professorin hat gemeinsam mit Professor Jürgen Pfeffer und Professorin Janina Isabel Steinert – beide von der Technischen Universität München – das Projekt Online-Feindlichkeit gegenüber politisch aktiven Frauen verstehen, erkennen und entschärfen ins Leben gerufen. Das vom bidt geförderte interdisziplinäre Projekt ist eines von fünf neuen Konsortialprojekten, die 2022 mit einer Laufzeit von drei Jahren gestartet sind. Noch steckt es in der Frühphase – aber der vergleichende Ansatz des Projekts, das Online-Feindlichkeit in Deutschland, Indien und Brasilien untersucht, ist vielversprechend.

Online-Feindlichkeit gegenüber politisch aktiven Frauen verstehen, erkennen und entschärfen

Radikalisierung, Hassreden und insbesondere Anfeindungen gegenüber politisch aktiven Frauen sind zu alarmierenden Negativmerkmalen von Online-Diskussionen geworden. Das Forschungsteam zielt darauf ab, Inhalte und Dynamiken von Online-Feindlichkeit gegenüber politisch aktiven Frauen besser zu verstehen und Methoden zur Früherkennung solcher aufkommender Dynamiken entwickeln.

Zum Projekt

„Das Internet und soziale Medien sind feste Bestandteile unser aller Leben geworden. Umso wichtiger ist es, extrem negativen Dynamiken wie Online-Frauenhass entgegenzuwirken. Was online passiert, hat mehr und mehr das Potenzial, unsere Gesellschaft und unsere Demokratie zu gefährden. Wir müssen dazu beitragen, dass wir gesündere Online-Ökosysteme vorfinden“, sagt Jürgen Pfeffer.

Der Informatiker ist Konsortialleiter des Projekts und bringt seine Expertise in Computational Social Science und Big Data ein. Online-Feindlichkeit gegenüber Frauen hat viele Facetten: „Neben globalen frauenfeindlichen Tendenzen und Bewegungen finden wir in unterschiedlichen Ländern und Regionen sehr unterschiedliche Formen von Frauenhass vor, welche sich aus lokalen Kulturen und Sprachen sowie vorherrschenden sozialen Normen ergeben. Globale Dimensionen von Frauenhass mit lokalen Dynamiken zu verbinden, ist ein zentrales Ziel dieses Projekts“, so Pfeffer weiter.

Die Global-Health-Professorin Janina Isabel Steinert, die das Projektteam mit ihrer Expertise in empirischer Datenerhebung verstärkt, ergänzt:

Wichtig ist uns, dass wir Inhalte und Dynamiken nicht nur besser verstehen, sondern vor allem auch Methoden zur Früherkennung solcher Dynamiken entwickeln.

Janina Isabel Steinert, Professorin für Global Health an der Technischen Universität München.

„Daher werden wir unsere Arbeit auf eine breite Palette von Forschungsmethoden stützen und drei Fallstudien in Deutschland, Indien und Brasilien erarbeiten, die uns zudem einen Ländervergleich ermöglichen.“ Denn Online-Hassrede mache natürlich nicht vor Ländergrenzen halt, und deshalb sei die Entwicklung einer Toolbox als Hilfe zur Selbsthilfe über Ländergrenzen hinweg ein wichtiger Meilenstein der Forschungsaktivitäten.

Für die Entwicklung einer solchen Toolbox arbeitet das Projektteam mit betroffenen Politikerinnen, Fachexpertinnen und -experten,  beispielsweise im Bereich Faktenprüfung, sowie mit Medienhäusern in Brasilien und Indien zusammen.

„Die Wirkungsweisen von Feindlichkeit im Netz müssen in einem breiten Diskurs in der Öffentlichkeit transparent gemacht und Lösungsansätze hierfür entwickelt werden “, so Udupa. Um diesen Diskurs zwischen politischen Vertreterinnen und Vertretern zu stärken, wird das Projektteam daher Policy Briefs und Regulierungsansätze als Handlungsempfehlungen entwickeln, um Online-Frauenfeindlichkeit gezielter zu bekämpfen.

31. März 2022

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