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Dokumentation des Praxis-Forums am 4. Oktober 2016 in der Bayerischen Akademie der Wissenschaften

Der digitale Umbruch stellt Unternehmen vor die Notwendigkeit, ihre Organisations- und Führungskonzepte grundlegend neu zu denken. Dies hat weitreichende Folgen für die Ausrichtung und Gestaltung der Arbeitswelt. Zum Erfahrungsaustausch über die Herausforderungen, Möglichkeiten und Grenzen dieser Neugestaltung haben sich auf Einladung des Instituts für Sozialwissenschaftliche Forschung München (ISF München) und der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU) am 4. Oktober 2016 in der Bayerischen Akademie der Wissenschaften rund 20 Expertinnen und Experten aus Wirtschaft, Wissenschaft, Gewerkschaften und Medien getroffen.

Im Fokus des Praxis-Forums standen aktuelle Ergebnisse aus der interdisziplinären Forschung am Munich Center for Internet Research (MCIR), Erfahrungen von Unternehmen mit neuen Arbeits- und Führungskonzepten sowie die Herausforderungen, vor denen die Transformation auch die Gewerkschaften stellt. Die Diskussion machte klar: Es gibt keine Patentlösungen. Denn der Umbruch den Beschäftigte, Führungskräfte und Unternehmen gegenwärtig erleben, ist hochkomplex. Gefragt ist in diesem Suchprozess eine aktive Gestaltung, welche die Menschen einbezieht und in einem gemeinsamen Lernprozess die Stärken der „alten“ mit den Stärken der „neuen“ Arbeitswelt in einer Gesamtstrategie zusammenführt.

Die Veranstaltung fand im Rahmen des Projektes „Neue Organisations- und Führungskonzepte in digitalen Arbeitswelten“ statt.

 

Neues aus der Forschung

Organisation von Arbeit und Führung im Wandel: Trends und Herausforderungen der Arbeitswelt der Zukunft

Perspektive Soziologie, PD Dr. Andreas Boes, ISF München

Andreas Boes sieht die Unternehmen in Deutschland in einem historischen Umbruch, bei dessen Bewältigung alle Akteure in Wirtschaft, Wissenschaft und Politik Neuland betreten. Die Kunst wird es nach seiner Überzeugung sein, in den Unternehmen Bedingungen zu schaffen, die (disruptive) Innovationen vorantreiben, ohne gewachsene, soziale Strukturen und Werte zu destabilisieren, sondern diese als Stärke bei der Bewältigung der Transformation zu nutzen. Der Arbeitssoziologe erklärt, warum der globale Informationsraum den Ausgangspunkt für den digitalen Wandel in Wirtschaft und Gesellschaft bildet, wie Unternehmen die Potenziale dieses neuen Handlungsraums auf der Suche nach einem neuen „Bauplan“ nutzen und welche strategischen Entwicklungslinien die Organisation von Arbeit gegenwärtig bestimmen.

Perspektive Wirtschaftsinformatik, Prof. Dr. Thomas Hess, LMU

Unternehmen brauchen eine Digitalisierungsstrategie um die Transformation zu bewältigen. Sie entsteht nach Beobachtung von Thomas Hess meist „bottom up“ und umfasst vier Leitfragen: Wie verändert sich meine Wertschöpfung? Wie strukturiere und organisiere ich das Digitalgeschäft? Mit welchem Ziel setze ich digitale Technologien ein? In welchem Verhältnis stehen Investitionen und Nutzen? Nur ein Drittel der Unternehmen, zeigen seine Forschungen, verfolgen bislang eine solche Strategie. Wie sie ausgestaltet wird, erläutert der Wirtschaftsinformatiker anhand datenbasierter Führungs- und Arbeitskonzepte und plattformgetriebener Wertschöpfungssysteme. Wie groß die Bandbreite sein kann, zeigen zwei konkrete Fallbeispiele.

Impulse aus der Praxis

Neue Organisations- und Führungskonzepte in der Wissensarbeit, Günter Pecht-Seibert, SAP SE

Das Interesse der Menschen gemeinsam mit den Interessen des Unternehmens auf den Kunden fokussieren: Neue Organisations- und Arbeitsmodelle könnten diese Vision verwirklichen, glaubt Günter Pecht-Seibert. Statt auf „Command and Control“ setzt der Experte aus dem SAP-Innovationszentrum auf eine neue Ergebnis- und Fehlerkultur mit neuen Leitbildern wie Eigenverantwortung, Transparenz und unternehmerischem Denken der Mitarbeiter. Die Zukunft gehört nach seiner Überzeugung dezentralen, kundenorientierten und gemischten Teams mit „end-to-end“-Verantwortung, deren Mitglieder empowered sind, agil zusammenarbeiten und transparenten Bewertungskriterien unterliegen. Wie dies bei SAP umgesetzt wird, erläutert Pecht-Seibert in seinem Vortrag.

„Mensch in der modernen Fabrik“: Ansätze zu neuen Organisations- und Führungskonzepten in der Fertigung, Stefanie Klebe, Siemens AG

Die Fabrik der Zukunft funktioniert nur, wenn Unternehmen die Menschen bei der Entwicklung dorthin mitnehmen. Davon ist Stefanie Klebe überzeugt. Denn nicht nur Technologien und Produktionsabläufe ändern sich im Zuge zunehmender Automatisierung und Digitalisierung, sondern auch die Anforderungen an die Beschäftigten in der Fertigung. Das Berliner Messgerätewerk der Siemens AG hat deswegen einen Masterplan für den Weg in die Zukunft entworfen, der die Mitarbeiter im Zuge der Einführung neuer Automatisierungssysteme in den Veränderungsprozess einbezieht, ein passendes Umfeld für die Arbeit cross-funktionaler und kreativer Teams schaffen soll und Themen rund um Qualifizierung und Wissensmanagement aufnehmen wird. Wie er nachhaltig umgesetzt werden soll, berichtet die HR- und Change-Expertin in ihrem Vortrag.

Gewerkschaftliche Perspektive auf die Veränderung der Organisation von Arbeit und Führung, Dr. Andrea Fehrmann, IG Metall Bayern

Die Digitalisierung stellt auch die IG Metall vor neue Herausforderungen: Neue Konzepte für die Organisation von Arbeit im Informationsraum wie Cloudworking und Crowdsourcing, die Flexibilisierung von Arbeitszeit- und ort, und neue Anforderungen an die Qualifikation sind unter anderem die Themen, mit denen Andrea Fehrmann und ihre Kolleginnen und Kollegen konfrontiert sind und die jetzt Gestaltung brauchen. Ziel ist es nach ihren Worten auf dem Weg in eine humanisierte digitale Arbeitswelt „das Heft des Handelns in die Hand zu nehmen“ und Orientierung zu geben in Zeiten, in denen Beschäftigte und Unternehmen sich permanent neu erfinden müssen. Welche Handlungsfelder sich hieraus für die Gewerkschaftsarbeit ergeben, erläutert Fehrmann in ihrem Vortrag.