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Digitale Arbeitswelten

HOMEOFFICE: NEW NORMAL FÜR BESCHÄFTIGTE?

Angela
Graf

Angela Graf

Lea
Müller

Lea Müller

Hannes
Putfarken

Hannes Putfarken

Antonia
Schlude

Antonia Schlude

Roland A.
Stürz

Roland A. Stürz

Was vor ein paar Jahren noch undenkbar schien, wird jetzt bereits als New Normal diskutiert: Zahlreiche Beschäftigte arbeiten seit Ausbruch der Coronapandemie vermehrt von zu Hause aus – und es zeichnet sich bereits ab, dass Homeoffice auch langfristig aus dem Arbeitsalltag vieler nicht mehr wegzudenken ist. Doch wie erleben Beschäftigte die Arbeit im Homeoffice? In diesem Blogbeitrag werden aktuelle Erhebungen des Think Tanks um erste Ergebnisse aus Interviews eines bidt-Forschungsprojekts zur digitalen Transformation von Industrieunternehmen ergänzt.

28. Juli 2022

Seit Ausbruch der Coronapandemie hat sich unsere Gesellschaft in vielerlei Hinsicht verändert. Nicht nur unser Zusammenleben, sondern auch die Bereiche Wirtschaft, Bildung und Arbeit sind in hohem Maße betroffen. Insbesondere die von der Bundesregierung verfügte Homeoffice-Pflicht führte in hoher Geschwindigkeit zu einem Wandel der Arbeitswelt, wie viele sie bislang nicht kannten. Im Mai 2021 – das zeigen Daten des bidt Think Tanks – arbeiteten 46 % der deutschen Internetnutzerinnen und -nutzer mehrmals pro Woche im Homeoffice. Unmittelbar vor dem Auslaufen der letzten Homeoffice-Pflicht arbeiteten weiterhin deutlich mehr Menschen von zu Hause aus als vor der Pandemie: Insgesamt 44 % der Befragten nutzten im März 2022 das Homeoffice mindestens ab und zu, 32 % arbeiteten mehrmals pro Woche von zu Hause aus.

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Software für das Homeoffice: Probieren statt planen

Die massive Ausweitung der Homeoffice-Arbeit stellte viele Unternehmen vor große Herausforderungen: In kürzester Zeit mussten gewohnte und eingespielte Arbeitsabläufe umgestellt werden, sodass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ihre Arbeit von zu Hause aus erledigen konnten. Es ging nicht nur darum, die erforderliche Hardware (Laptop, Monitore etc.) bereitzustellen – gleichzeitig führten viele Unternehmen mit Hochdruck verschiedene Softwarelösungen ein, um die Arbeitsprozesse aus der Ferne zu organisieren, zu koordinieren und das digitale Zusammenarbeiten zu ermöglichen bzw. zu erleichtern.

Die Coronapandemie wurde damit auch zum Booster der Digitalisierung von Unternehmen und anderen Organisationen. Führungskräfte und Beschäftigte eines marktführenden deutschen Maschinenbauunternehmens, die im Rahmen eines bidt-Forschungsprojekts befragt wurden, beschreiben die Pandemie als Katalysator, der zu einer Offenheit für die Einführung neuer digitaler Möglichkeiten geführt habe, die es sonst nicht gegeben hätte. Anstatt die Einführung neuer Software aufwendig im Detail planen und kalkulieren zu müssen, sei durch die Pandemie plötzlich der Weg offen gewesen, neue Tools als Pilotprojekte unkompliziert ausprobieren zu können.

Neue digitale Tools, neue Chancen und Herausforderungen

Beschäftigte wie Führungskräfte zeigen sich nicht selten überrascht davon, wie schnell und gut die Umstellung auf das Homeoffice funktioniert habe – und welche positiven Konsequenzen damit einhergingen. In Gesprächen, die im Rahmen des bidt-Forschungsprojekts zur digitalen Transformation von Industrieunternehmen geführt wurden, berichten Beschäftigte etwa, dass digitale Betriebsversammlungen durch den Einsatz von Tools wie Teams oder Slido die Hemmschwelle gesenkt hätten, sich aktiv zu beteiligen und Rückfragen zu stellen.

Gleichwohl gibt es auch andere, kritische Stimmen: So führe die Einführung digitaler Softwarelösungen teils zu erheblichen Mehrbelastungen und zusätzlicher Arbeit. Diese gründen sich etwa darauf, dass sich einige im Umgang mit den neuen Tools nicht ausreichend geschult fühlen. Eine Einführung oder Schulung im Umgang mit den neuen Lösungen werde oftmals nur knapp oder gar nicht angeboten – gleichzeitig werde aber erwartet, dass diese unmittelbar beherrscht werden sollen. Weiterhin seien die digitalen Tools teils auch mit zusätzlichen Aufgaben verbunden. Durch die Ad-hoc-Einführung im Zuge der Coronapandemie seien die im Unternehmen verwendeten digitalen Tools oftmals untereinander nicht oder nur unzureichend vernetzt, sodass Eingaben mehrfach getätigt oder Daten aufwendig in verschiedenen Systemen eingepflegt werden müssten. Auch werden Sorgen geäußert, dass der Zusammenhalt und das Gemeinschaftsgefühl im Unternehmen langfristig darunter leiden könnten, wenn sich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht mehr regelmäßig im Büro sehen, sondern vermehrt über digitale Tools interagieren.

Gute Kommunikation trotz oder wegen Homeoffice?

Dass Unternehmen für die Arbeit im Homeoffice neue Softwarelösungen einführen, erproben und ausweiten, hat auch weitreichende Folgen für Kommunikationsformen und -wege, die Art der Zusammenarbeit und die Beziehungen zu Kunden oder anderen externen Stakeholdern. Auch die Kommunikation mit Vorgesetzten und Kolleginnen und Kollegen verändert sich, wenn sie zunehmend über digitale Kommunikationstools abläuft. Doch wie zufrieden sind Beschäftigte mit diesem neuen Austausch?

Die Daten des bidt Think Tanks zeigen, dass die allgemeine Zufriedenheit bezüglich des Austauschs mit Vorgesetzten, aber auch mit Kolleginnen und Kollegen relativ hoch ist. Insgesamt geben 72 % der Befragten an, mit dem beruflichen Austausch mit ihrer/ihrem Vorgesetzten sehr oder eher zufrieden zu sein. Überraschenderweise weisen die Befragten, die Homeoffice nutzen, hier sogar eine höhere Zufriedenheit auf. Von ihnen geben 77 % an, zufrieden mit dem beruflichen Austausch mit ihrer/ihrem Vorgesetzten zu sein. Bei den Befragten, die nicht im Homeoffice arbeiten, sind es hingegen nur 68 %.

Ein ähnliches Bild zeigt sich bezüglich der Zufriedenheit mit dem beruflichen Austausch mit Kolleginnen und Kollegen. Insgesamt geben 81 % aller Befragten an, mit diesem Austausch eher oder sehr zufrieden zu sein. Aber auch hier hängt die Zufriedenheit mit der Homeoffice-Nutzung zusammen. 49 % der Berufstätigen, die mehrmals pro Woche Homeoffice nutzen, sind sehr zufrieden mit dem beruflichen Austausch mit Kolleginnen und Kollegen. Demgegenüber sind von den Befragten, die nur einmal pro Woche oder seltener von zu Hause aus arbeiten, nur 24 % sehr zufrieden. Dagegen sind Befragte ganz ohne Homeoffice-Nutzung zu 41 % sehr zufrieden mit dem beruflichen Austausch mit Kolleginnen und Kollegen. Dies könnte darauf hindeuten, dass gerade eine Hybridlösung mit einem sehr geringen Homeoffice-Anteil für den Austausch zwischen Kolleginnen und Kollegen mit größeren Herausforderungen einhergeht als eine Hybridlösung mit einem höheren Homeoffice-Anteil.

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Auch in den im Rahmen des bidt-Forschungsprojekts geführten Interviews erzählen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, dass die Hierarchien im Unternehmen durch vermehrtes Homeoffice flacher geworden seien und dass sich die Firmenkultur positiv verändert habe. Viele sind der Meinung, dass die digitalen Tools, die seit dem Wechsel ins Homeoffice eingeführt worden sind, die Zusammenarbeit und die Kommunikation mit anderen Standorten weltweit, aber auch mit Kunden und Partnern einfacher und besser gemacht hätten.

Tools statt Teeküche: Besser informiert im Homeoffice?

Doch wenn so viele zu Hause arbeiten, wie (gut) gelangen dann noch Informationen aus den Unternehmen ins Homeoffice? Die bidt-Daten deuten darauf hin, dass die Nutzung von Homeoffice keinen negativen Effekt darauf hat – im Gegenteil: Diejenigen Befragten, die von zu Hause aus arbeiten, stimmen zu 79 % der Aussage zu, dass sie sich über die Vorgänge und Entwicklungen im eigenen Unternehmen sehr gut informiert fühlen. Die gleiche Antwort geben jedoch nur 63 % der Berufstätigen, die kein Homeoffice nutzen.

Auch scheint sich eine häufigere Homeoffice-Nutzung positiv auf die wahrgenommene Informiertheit über Vorgänge im Unternehmen auszuwirken: Befragte, welche mehrmals pro Woche von zu Hause aus arbeiten, stimmen zu 82 % entsprechender Aussage zu. Bei Berufstätigen, die nur einmal pro Woche oder seltener Homeoffice nutzen, sind es hingegen nur 70 %.

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Work-Life-Balance: Macht Homeoffice zufriedener?

Ein immer wiederkehrendes und wichtiges Thema im Zuge der Umstellung auf das Homeoffice ist die Work-Life-Balance. Was macht es mit Beschäftigten, wenn sich der Arbeitsplatz in das eigene Zuhause verlagert? Insgesamt war die Zufriedenheit derer, die von zu Hause aus arbeiteten, bei der bidt-Befragung im März 2022 hoch: 85 % der Befragten waren sehr oder eher zufrieden mit der eigenen Situation im Homeoffice. Berufstätige, denen es möglich ist, mehrmals pro Woche im Homeoffice zu arbeiten, stufen ihre Zufriedenheit mit der eigenen Work-Life-Balance deutlich höher ein als Berufstätige, die wenig oder kein Homeoffice nutzen. 87 % der mehrmals pro Woche von zu Hause aus Arbeitenden sind mit der Vereinbarkeit von Berufs- und Privatleben zufrieden. Demgegenüber sind von denjenigen befragten Berufstätigen, die zwar hin und wieder, aber nur einmal pro Woche oder seltener von zu Hause aus arbeiten, nur 74 % zufrieden damit. Bei Berufstätigen ohne Homeoffice-Nutzung sind mit 76 % ähnlich viele Befragte mit der Vereinbarkeit von Berufs- und Privatleben zufrieden. Auch in Interviews berichten Beschäftigte, dass Arbeit und Privatleben besser vereinbar geworden sind. Problematisiert wird allerdings auch, dass die Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit immer mehr verschwimmen.

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Homeoffice – die neue Normalität?

Je nach individuellen Hintergründen erleben Beschäftigte die Arbeit im Homeoffice unterschiedlich. Es scheint sich jedoch abzuzeichnen, dass Homeoffice aus dem Arbeitsalltag sehr vieler Beschäftigter künftig nicht mehr wegzudenken ist. Insgesamt ist zu erwarten, dass weiterhin ein großer Anteil an Beschäftigten zumindest ab und zu im Homeoffice arbeiten möchte. Auch seitens der Arbeitgeber werden aktuell verschiedene Modelle und Konzepte diskutiert, um weiterhin Homeoffice-Arbeit in verschiedenem Umfang zu ermöglichen. Die Arbeitgeberseite hat Homeoffice auch als Wettbewerbsfaktor beim Anwerben und Halten von knappen Fachkräften erkannt. Sicher ist jedoch auch: Mit diesen neuen Modellen und Konzepten werden künftig neue Chancen, aber auch neue Herausforderungen für Beschäftigte verbunden sein.

Quantitative Daten dieses Beitrags entstammen einer Befragung von 1.957 berufstätigen Internetnutzerinnen und -nutzern mithilfe von Google Surveys vom 03.03.2022 bis 20.03.2022.

Die vom bidt veröffentlichten Blogbeiträge geben die Ansichten der Autorinnen und Autoren wieder; sie spiegeln nicht die Haltung des Instituts als Ganzes wider.

Dr. Angela Graf

PD Dr. phil. habil. Angela Graf leitet am bidt ein Forschungsprojekt zur digitalen Transformation von Industrieunternehmen. Nach dem Studium der Soziologie, BWL und Rechtswissenschaften promovierte sie 2014 an der TU Darmstadt und habilitierte sich 2020 in Soziologie an der TU München. Zu ihren Arbeits- und Forschungsschwerpunkten zählen u. a. strukturelle, institutionelle und organisationale Transformationen, Machtverhältnisse und soziologische Theorie.

Lea Müller

Lea Müller, M. A., forscht in einem interdisziplinären Projekt am bidt zur digitalen Transformation von Industrieunternehmen. Nach ihrem Studium an der FAU Erlangen, der Jagielloński Universität Krakau sowie der TU Dresden arbeitete sie bei einem Digitaldienstleister. Die Soziologin promoviert gegenwärtig an der TU München. Ihre Forschungsschwerpunkte sind die digitale Transformation von Organisationen, Agilität und die Veränderung von Führung.

Hannes Putfarken

Hannes Putfarken ist wissenschaftlicher Referent in der Abteilung Think Tank am bidt. Zuvor war er bei der Industrie- und Handelskammer (IHK) für München und Oberbayern in der Stabsstelle Wirtschaftspolitik im Bereich der Hauptgeschäftsführung tätig. Dort war er verantwortlich für den Themenbereich Bürokratieabbau und hat die strategische sowie politische Ausrichtung der IHK mitgestaltet. Er studierte in Göttingen und Dortmund Politikwissenschaft, Journalismus und Volkswirtschaftslehre und ist Mitglied des Dortmund Center for data-based Media Analysis (DoCMA).

Antonia Schlude

Antonia Schlude ist wissenschaftliche Referentin in der Abteilung Think Tank am bidt. Sie studierte an der Georg-August-Universität Göttingen, der Jagielloński Universität Krakau sowie der Ludwig-Maximilians-Universität München Politikwissenschaft. Ihr Arbeitsschwerpunkte sind digitale Kompetenzen sowie die digitale Transformation der Arbeitswelt.

Dr. Roland A. Stürz

Dr. Roland A. Stürz ist Abteilungsleiter Think Tank am bidt. Vor seiner Tätigkeit am bidt war er als wissenschaftlicher Referent am Max-Planck-Institut für Innovation und Wettbewerb in München und davor als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Innovationsforschung, Technologiemanagement und Entrepreneurship der Ludwig-Maximilians-Universität München tätig. Roland A. Stürz studierte Betriebswirtschaftslehre an der LMU München und an der Copenhagen Business School.

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Vor dem Hintergrund der ausgelaufenen Homeoffice-Pflicht in Deutschland im März 2022 untersucht das bidt erneut die Nutzung und Akzeptanz von Homeoffice in Deutschland.

Das Projekt erforscht den Wandel der organisationalen Identität von Engineering-Unternehmen im Zuge der digitalen Transformation.

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